Der freie Wille

         

Gibt es den „Freien Willen“? …ich behaupte „Nein“.

Die meisten Mensch gehen davon aus, dass sie frei entscheiden, was sie tun oder tun wollen. Dem scheint es doch nicht so zu sein.

Im Grunde ist es eine Entscheidung, die längst zuvor im Nervenzentrum, also im Gehirn, gebildet und entschieden wird.

Geht man davon aus, dass ich etwas jetzt tun will, geschieht das auf der bewussten Ebene. Aber woher kommt diese Entscheidung?

Warum will ich gerade „Dieses Etwas“ jetzt tun?

Es muss also etwas da sein, was mich dazu bewegt, etwas tun zu „wollen“.

Etwas in mir, was diese Entscheidung zuvor in mir erzeugt und in meiner Gedankenwelt eine Aktion auslöst. Das kann ein Gefühl sein, oder einfaches vor sich dahin träumen, ohne jegliche Handlung oder auch mit darauffolgender Handlung. So etwas wie das Innere „ICH“, welches mich in diesem Moment steuert, ich selber aber nicht bewusst erklären kann was mich da steuert, etwas was schon da ist und mich in meiner Entscheidung unbewusst beeinflusst.

Vielleicht liegt es etwas tiefer, in der Erfahrung der Lebensstrategie, schon in unseren epigenetischen Vorstufen, beginnend schon im Mutterleib vor unserer Geburt. Hier werden schon durch die Gene der Mutter bestimmte Festlegungen durch deren Gewohnheiten und Erfahrungen gebildet. Später dann durch die Umgebung und unsere eigenen Wahrnehmungen, die auf uns einwirken und eine bestimmte Erfahrung in bestimmten Abläufen unserer Umwelt als Ganzes, die zusätzlich auf uns einwirken. Es geschieht eine Art von „Auslese“, die unsere Gene treffen durch die epigenetischen Kontrollmechanismen. Was sind nun wieder diese Kontrollmechanismen? Wir gehen laut Wissenschaft davon aus, dass der Mensch auf seiner DNA ca. 21.000 protein-kodierende Gene besitzt. Diese Regionen werden als Genom bezeichnet. Jedoch geht man auch davon aus, dass sich ebenso viele nicht-kodierende Gene im menschlichen Genom befinden.

Naja, das ist jetzt etwas zu wissenschaftlich und ich möchte das hier nicht zu weit ausschlachten. All diese Gene erfüllen ihre Funktion und können an- und abgeschaltet werden. Ob und wann ein Gen ausselektiert, somit inaktiv oder aktiv sein soll, wird vom Kontrollmechanismus festgelegt. In den Organen des Menschen sind somit nicht alle Gene immer aktiv, nur die, deren Funktion von äußeren Einflüssen nutzbringend benötigt werden. Gene selbst sind bei jedem Menschen gleich, nur die Auslese, die die Gene vornehmen, sind bei jedem anders. Also eine Kontrolle der Gene aus sich selbst heraus.

In der Hirnforschung ist man zu diesem Ergebnis längst gekommen. Die Epigenetik entwickelt sich nach der Geburt weiter durch die Wahrnehmungen aus der Umwelt. Hier kommt nun die Erfahrung die der Mensch macht hinzu und legt diese in jedem Menschen auf seine Weise auf weitere Verhaltensweisen fest. Also emotionale und andere Gewohnheiten sind hier mit ausschlaggebend. Wenn ich etwas tue bestimmen genau diese Vorerfahrungen den eigentlichen Ablauf meiner weiteren Entscheidungen. Jede emotionale, jede soziale Erfahrung sucht nach einem Ablauf meines Seins. Wenn ich davon ausgehe, dass diese Erfahrungen in unserem Nervensystem neuronale Verbindungen im Gehirn festlegen und nach Bedarf abgerufen werden, werden bestimmte Handlungen durch den Autopiloten in uns gesteuert. Aufmerksamkeit im alltäglichen Leben wird durch unser Bewusstsein aufgenommen und abgespeichert. Tritt ein Moment auf, indem wir dieses Erlebnis wieder erleben, schaltet unser Gehirn eine Suche im Nervensystem nach bekannten Verbindungen und entscheidet dann durch die schon vorhandenen Erkenntnisse. Kommen neue Erkenntnisse hinzu, werden neue Verbindungen gebildet und abgespeichert und der Prozess der Suche erweitert sich durch diese neuen Erkenntnisse. Das Alles geschieht scheinbar bewusst unter den neuronalen Verbindungen im Gehirn, ist es aber nicht. Dieses „Durchsuchen“ geschieht unbewusst. Dieser Apparat, dessen was ich hier meine, bezeichnen wir als unseren Geist. Wenn ich also etwas tue, dann entscheidet Sekunden zuvor mein Geist aus der Verbindung meiner schon abgespeicherten Neuronenverbindungen was mein „Tun“ sein wird. Ich kann mich zwar bewusst für etwas entscheiden, zum Beispiel ich will mein Arm anheben, oder etwas greifen, aber wie ich den Arm hebe oder greife wird unbewusst zur eigentlichen Handlung aus der Erfahrung zuvor festgelegt. Meine Armmuskeln bekommen den Befehl über mein Nervensystem und die Neuronenverbindungen aus dem Gehirn. Diese Befehlsstrecke unterliegt einem Zeitfaktor. Natürlich sind es nur Bruchteile von Sekunden, aber die Handlung als solches kommt erst danach. Also unterliegt mein freier Wille dieser Zeitspanne und diese unterliegt wiederum der Entscheidung, die Sekunden vorher durch meine Gewohnheit oder Erfahrung unbewusst gesteuert wird.

Grob gesagt entscheide ich bewusst was ich „jetzt“ tun will, aber unbewusst, wie ich mich in der Ausführung auf eine Handlung entscheide. Somit unterliegt meine freie Entscheidung der unbewussten Vorentscheidung und ist im Grunde nicht meine freie Entscheidung. Meine Entscheidung wird also Bruchteile von Sekunden zuvor selektiert durch meine festgelegten Neuronenverbindungen aus der abgespeicherten Erfahrung.

Das ist schwer zu begreifen, aber so läuft nun mal ein Handlungsablauf. Im Grunde unterliegt mein gesamtes Wahrnehmungssystem einer gewissen Zeitspanne die mein Gehirn vornimmt und mich immer ein Bruchteil von Sekunden in die Vergangenheit versetzt, denn das was ich spüre durch meine Wahrnehmung unterliegt genau der Selektion (Zeitfaktor) meiner Neuronenverbindungen bevor ich bewusst etwas wahrnehme und reagieren kann. Der „Freie Wille“ unterliegt genau meinem inneren „ICH“. Was auch immer dieses „ICH“ ist, es entscheidet.


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